Die letzten Fundgruben – das Aussterben der Videotheken
Aktualisiert am von
Überall in Deutschland schließen aktuell kleine und größere Videotheken. Bunte Läden voll mit engen Regalen, Leuchtreklame und Filmplakaten. Ganz anders sah die Situation in den achtziger und neunziger Jahren aus, als Videotheken ihre Hochzeit erlebten.
Vom Video-Boom bis zum digitalen Zeitalter
Mit dem Siegeszug der Videokassetten kam auch das Verleihgeschäft so richtig in Gang. Kleine Videotheken mit ausgesuchtem Programm und beliebten Blockbuster-Filmen im Regal kamen auf. In den Neunzigern dominierten dann bereits die Videoketten. Videotheken hatten Hochkonjunktur und waren von den Großstädten bis ins Dorf verbreitet. Einige Ketten erreichten Flächen eines kleineren Supermarktes mit unzähligen Regalen. Das Aufkommen von Computer- und Videospielen brachte den Videotheken noch einmal zusätzliche Kundschaft.
Der Durchbruch der DVD zu Beginn des neuen Jahrtausends kann heute als erstes Anzeichen für eine tiefgreifende Veränderung verstanden werden. Die zuvor als handlich geschätzte VHS-Kassette wurde plötzlich als klobig empfunden. Eine DVD war praktischer, das Bild besser und obendrein war der Film digital verfügbar. Diese Herausforderung haben die Videotheken problemlos stemmen können, problematisch wurde es erst mit der zunehmenden Verbreitung des Internets. Auf einmal waren Filme digital nicht mehr nur über DVD oder Blue-Ray verfügbar, per Download oder Stream konnten ganze Filmbibliotheken scheinbar kostenlos angesehen werden.
Internetpiraterie und Streamingdienste
Erst war das Video ganz groß, dann kamen DVD und Blu-ray – jetzt wird gestreamt. So lässt sich in kurz die Geschichte der gängigen Videoformate zusammenfassen. Gab es nach Informationen des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels Deutschland im Jahr 2007 noch 4173 Videotheken, so waren es 2013 noch 1848. Im Jahr 2015 wurden 1212 Filmverleihe gezählt. Die höchste Zahl an Videotheken in Deutschland wurde übrigens mit ca. 9500 kurz nach der Wende im Jahr 1990 gezählt.
Quelle: retropie.de
Gegen die Konkurrenz von Streaming-Diensten und Internetanbietern wie Amazon, Maxdome, Videoload oder Netflix haben die Videotheken heute einen schweren Stand. Trotz kreativen Angeboten für Stammkunden wie Bonuskarten oder besonderen Arrangements zum Wochenende („Zwei Videos zum Preis von einem“), lässt das Interesse am Gang in die Videothek deutlich nach. Neben den Bezahlangeboten im Netz, ist vor allem die Internet-Piraterie ein weiterer Grund für das Sterben der Videotheken. Viele Filme können im Internet illegal kostenlos angesehen oder heruntergeladen werden.
Nur die Möglichkeit des kostenlosen Downloads als Grund zu nennen, wäre zu kurz gedacht. Auch die Einstellung vieler Menschen hat sich geändert: Heute verbringt die jüngere Generation viel Zeit bei sozialen Netzwerken wie Facebook, schaut Clips auf YouTube oder leiht sich Filme und Serien online aus. Während früher viele auf Videotheken zurückgriffen, um sich frei von Werbung zu halten, ist Werbung heute eher akzeptiert – solange das Angebot gratis ist. Zudem erspart das Herunterladen Zeit und den heute meist als lästig empfundenen Weg in die Videothek.
Digitale Zukunft: Onlinevideotheken auf dem Vormarsch
Der kurze Weg zum Film und die einfache Handhabung machten Onlinevideotheken schnell beliebt. Anbieter wie Netflix ergänzten ihr Programm zudem mit eigenen Formaten, Filmen und Serien. Angebote, die man meist nicht über Zweitanbieter nutzen kann. Auf diese Weise gewann die Onlinevariante der Videothek in kürzester Zeit an Zuspruch und nahm eine ähnlich rapide Entwicklung wie die klassische Videothek in den Achtziger Jahren. Für den stationären Videoverleih bedeutete das im Gegenzug starke Einbußen.
Nur wenige Betreiber von Videotheken stellen sich gegen diesen Trend. Wer überleben will, setzt auf neue Angebote. Manche Videotheken erweitern ihr Angebot um den Verkauf von Getränken und Chips, richten Spieleecken für Kinder ein. Im Hinterzimmer veranstalten sie Filmvorführungen und wenden sich zunehmend einem spezialisierten Publikum zu. Cineasten, Filmschaffende, Drehbuchschreiber und Regisseure sind eine Zielgruppe, die weiterhin auf das Angebot zurückgreift und in manchen Fällen auch darauf angewiesen ist. Denn: Nicht jeden Streifen der Filmgeschichte gibt es in digitalisierter Form. Viele Filme, die auf Kassette verfügbar sind, wurden bislang nicht digitalisiert. Die Videothek bleibt in diesen Fällen, was sie schon immer war: Eine Fundgrube für Filmliebhaber.